Blick in Baumkronen

Verantwortung für die Schöpfung – Von der Offenheit des Glaubens für die Welt als Schöpfung Gottes

„Bewahrung der Schöpfung“ ist ein christlich fundiertes Motto, das in den 1980er Jahren in die Debatte der christlichen wie auch nicht-christlichen Friedens- und Umweltbewegung Eingang fand. Der Begriff „Bewahrung“ appelliert an die Verantwortung des Menschen für seine Umwelt. Gleichzeitig bringt die Erinnerung an die Schöpfung auch die außermenschliche Stiftung einer Zusammengehörigkeit aller Lebewesen zum Ausdruck. Theologisch gesprochen: Gott selbst ist Grund und Garant seiner Schöpfung. Diese ereignet sich nicht nur am Ursprung der Welt, sondern die Bewahrung dauert die ganze Weltzeit über an.

Apfelbaum

„Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.“

Genesis 1,16

„Gott zu Noah und seinen Söhnen: Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind. Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.“

Genesis 9,8–10

Foto und Titelfoto: Markus Belde

Die Wahrnehmung einer ökologischen Krise der Menschheit hat nicht nur bei Christen die Einsicht befördert, dass die „Bewahrung der Schöpfung“ Auftrag auch des Menschen ist. 1983 fand im kanadischen Vancouver die VI. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) statt, wo das christliche Bemühen um die Bewahrung der Schöpfung unter dem Begriff „Konziliarer Prozess“ zusammengefasst wurde. Hieraus ging Mitte der 1980er Jahre der „Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ hervor.

Der Mensch als Gottes Ebenbild soll Gottes gute Schöpfung bebauen und gleichzeitig bewahren. Da dieser Glaubenssatz immer auch bedeutet, Stellung zu beziehen gegenüber der erlebten Wirklichkeit, wirkt er sich auch auf das Handeln des Einzelnen aus. Dabei wird die Schöpfung nicht als eine unwandelbare, geschichtslose Ordnung verstanden, sondern als ein Prozess, der in stetiger Weiterentwicklung begriffen ist. Der Glaube an die Schöpfung und die Theorie der Evolution lassen sich so vernünftig miteinander in Beziehung setzen. Das Bekenntnis zur Schöpfung hat sein Zentrum in der Achtung der Individualität alles Geschaffenen. In der Ethik bringt dieser Glaubenssatz vor allem den Bezug auf die gemeinsame Zukunft des Lebendigen zum Ausdruck, dem die Lebensführung des Einzelnen zu entsprechen hat.

Technischer Fortschritt und „Haushalterschaft“ des Menschen

Für Christen ist das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung Ausdruck ihres Glaubens an Gott als den Schöpfer. Der Mensch hat – im Sinne der oft vereinfachend interpretierten Aussage „Macht Euch die Erde untertan!“ (Gen. 1,28) – nicht nur die Aufgabe, die Erde zu bebauen. Er trägt gleichzeitig die ihm von Gott anvertraute Verantwortung, die Erde zu bewahren (Gen. 2,15) (Haushalterschaft). Dies beinhaltet die Verpflichtung, sorgsam und verantwortlich mit den Gaben der Natur umzugehen und diese um ihrer selbst willen und mit Blick auf künftige Generationen zu kultivieren. Eine solche Ethik hat eine besondere Nähe zu Theorie und Praxis eines nachhaltigen Naturumgangs (Nachhaltigkeit).

Gentechnik als Eingriff in die Schöpfung Gottes?

Gerade in der Debatte um die Gentechnik in der Landwirtschaft wird die Rede von der „Bewahrung der Schöpfung“ oft als Einwand gegen die Veränderung des Genoms von Pflanzen vorgebracht. Bei diesem Argument tritt die Gentechnik also direkt in Konkurrenz zum Handeln des Schöpfers. Allerdings richtet sich das Bekenntnis zur Schöpfung nicht auf die Gene, sondern auf die Individualität des Glaubenden. Der Glaube an die Schöpfung bezieht sich also nicht direkt auf die Unwandelbarkeit der genetischen Natur der Lebewesen, sondern auf ihr Zusammenleben. Für die Ethik in der Tradition des Christentums ist deshalb charakteristisch, dass sie Fragen eines schonenden Naturumgangs stets mit Kriterien der Gerechtigkeit zusammen denkt. Das Argument, die Gentechnik sei aufgrund ihrer Risiken keine verantwortbare Technologie und Ausdruck einer grundsätzlichen Haltung, nach der der Mensch selbst Gott spielen könne („Playing God“-Argument), greift deshalb zu kurz, wenn es allein die Eingriffstiefe in die Natur im Blick hat. Es muss sich vielmehr auch an den Ansprüchen an globale Kriterien der Gerechtigkeit messen lassen.

Verantwortung für die Schöpfung als Offenheit für die Welt des Lebendigen

Die Frage, ob Gentechnik ein geeignetes Werkzeug des Menschen ist, um ökologisch und sozial nachhaltig Landwirtschaft zu betreiben und sich den globalen Herausforderungen zu stellen, ist aus Glaubenssätzen heraus nicht zu beantworten. Vielmehr legt die Rede von der Verantwortung für die Schöpfung nahe, den Nutzen bzw. die Unbedenklichkeit von Eingriffen in die Natur anhand überprüfbarer Kriterien abzuschätzen. „Schöpfung“ bringt zugleich zum Ausdruck, dass sich unser individuelles Verhältnis zur Natur immer einer bestimmten Sicht der Welt „als Ganzer“ verdankt. Das Staunen und die Dankbarkeit für ein Leben, das wir selbst nicht gemacht haben und das uns trägt, kann den Menschen für einen sowohl gelassenen, als auch aufmerksamen Naturumgang öffnen. In dieser Perspektive kann er erkennen, dass das „Gewachsene“ einen eigenen Wert und Rang hat, der durch das von Menschen „Gemachte“ nicht einfach ersetzt werden kann.

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