Energiepflanzen und Klimabilanz –
Ist die Nutzung von Bioenergie klimafreundlich?

Die Nutzung von Energiepflanzen wird im Vergleich zur Nutzung von fossilen Energierträgern als klimafreundliche Alternative angesehen: Beim Verbrennen der Biomasse wird nur soviel Kohlendioxid frei, wie die Pflanzen zuvor gebunden haben. Doch werden beim Anbau der Energiepflanzen zusätzliche Mengen an fossilem Treibstoff sowie Stickstoffdünger benötigt. Wie also fällt die Klimabilanz von Energiepflanzen aus?

energiepflanze_chinaschilf

Als nachwachsender Rohstoff zur energetischen und stofflichen Nutzung wird seit den 1970er Jahren vermehrt Riesen-Chinaschilf (Miscanthus × giganteus; links im Bild) eingesetzt, eine Kreuzung aus Chinaschilf (Miscanthus sinensis; rechts im Bild) mit Miscanthus sacchariflorus.

Silphie, durchwachsene

Die durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum L.), eine mehrjährige Staudenpflanze, kann als Energiepflanze für Biogasanlagen genutzt werden.

Fotos: Oben: Technologie- und Förderzentrum TFZ (Maendy Fritz); unten: i-bio

Bei der Klimabilanz von Energiepflanzen trifft Studie auf Gegenstudie. Auf der einen Seite wird betont, dass der Anbau von Energiepflanzen klimaneutral sei. Beim Verbrennen von Biomasse werde die gleiche Menge an Kohlenstoff frei, die der Atmosphäre durch den Anbau der Pflanze entzogen wurde. So würde der Kohlenstoff-Kreislauf geschlossen. Auf der anderen Seite wird darauf hingewiesen, dass Ackerland weitaus weniger Kohlendioxid speichern kann als etwa ein Waldboden oder ein Moor. Wird Regenwald gerodet oder ein Torfmoor trockengelegt, um Flächen für den Anbau von Energiepflanzen zu erschließen, verschlechtert sich die Klimabilanz deutlich. Hinzu kommt, dass für die Produktion der Bioenergie weitere Energie eingesetzt werden muss, etwa für die Verarbeitung der Energiepflanzen. Werden beim Anbau der Energiepflanzen Stickstoffdünger eingesetzt, kann das hier entstehende Lachgas zu einer Zerstörung der Ozonschicht führen. Kontrovers wird momentan darüber hinaus diskutiert, wie viel Pflanzenreststoffe bzw. Stroh von einem Acker genutzt werden kann, ohne dass die Neubildung der Humusschicht beeinträchtigt wird.

Differenzierte Bewertung von Energiepflanzen

Auf den ersten Blick scheinen Energiepflanzen grundsätzlich klimafreundlich zu sein: Im Verhältnis zu fossilem Diesel bzw. Benzin verursachen Biodiesel und Pflanzenöl aus Raps sowie Bioethanol aus Getreide bis zu zwei Dritteln weniger Treibhausgasemissionen. Gemäß unterschiedlichen wissenschaftlichen Studien fällt die Treibhausgasemissionsbilanz je nach landwirtschaftlicher Anbaumethode und eingesetzter Pflanze allerdings sehr unterschiedlich aus. Grundsätzlich ist beim Anbau von Raps und Mais, Pflanzen mit hohem Bedarf an Stickstoffdüngung, die Emission vom Stickoxid N2O höher, so dass die Einsparung bei Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilen Energieträgern wiederum kaum oder gar nicht ins Gewicht fällt. Am klimafreundlichsten scheint die Nutzung von Holz oder Reststoffen wie Stroh zu sein, insbesondere bei einer kombinierten Nutzung der Pflanzen für die Nahrungs- oder Futtermittelproduktion. Insbesondere bei der energetischen Nutzung von Holz aus Kurzumtriebsplantagen ist die Treibhausgasemissionsbilanz sehr gut, da keine Stickstoffdüngung notwendig ist.

Wie verschiedene wissenschaftliche Studien gezeigt haben, eignen sich vor allem mehrjährige Gräser und Bäume für eine energetische Nutzung, insbesondere auf nährstoffärmeren Flächen. Anders als Raps und Mais können sie im Winter geerntet werden, wenn die meisten Nährstoffe in den Wurzeln gespeichert werden, so dass diese Nährstoffe nach der Ernte im Boden verbleiben und im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. Auf den britischen Inseln, in Skandinavien und den baltischen Staaten werden bereits schnellwüchsige Pflanzen wie Chinaschilf (Miscanthus), Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea) und Weiden auf mehreren zehntausenden Hektar Fläche angebaut und zur Wärme- und Stromproduktion genutzt.

In Deutschland werden Anbauversuche mit mehrjährigen Staudengewächsen wie der Durchwachsenen Silphie (Silphium perfoliatum L.) oder der Sidamalve (Sida hermaphrodita L.) durchgeführt, um sie als Energiepflanzen nutzen zu können. Nach dem Auspflanzen können sie über mehrere Jahre geerntet werden bei keinem oder nur geringem Aufwand für Bodenbearbeitung und Pflanzenschutz. Sie stellen keine hohen Ansprüche an die Bodenqualität und kommen mit den klimatischen Bedingungen Mitteleuropas gut zurecht.

Nutzung von Verfahren der zweiten Generation

In einer Studie des Institute for European Environmental Policy (IEEP) wurde die Neuerschließung von Anbauflächen für die Produktion von Biokraftstoffen untersucht. Um in ganz Europa bis 2020 etwa 9,5 Prozent der Energie im Bereich des Verkehrs aus Biokraftstoffen zu gewinnen, müssten bis zu 6,9 Millionen Hektar neues Ackerland geschaffen werden, was mehr als der doppelten Fläche von Belgien entspricht. Dadurch würde nicht nur die Klimabilanz von Energiepflanzen negativ ausfallen, auch würde durch die Neuerschließung von Agrarflächen die Biodiversität in Europa gefährdet sein. Die Umwidmung von Naturlandschaften zum Anbau von Energiepflanzen wird daher kritisch beurteilt. Von der Bundesregierung wurde 2011 die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) verabschiedet, durch die eine klimaschädliche Umwidmung von Flächen reguliert werden soll.

Die Klimabilanz von Bioenergie muss fallweise bewertet werden, da sie stark orts-, struktur-, anbau- und nutzungsspezifisch ist. Generalisierungen, wie sie in der öffentlichen Diskussion nicht selten stattfinden, sind daher wenig zielführend. Es geht um konkrete Anwendungsarten für spezifische Regionen. Hier ist auch die Pflanzenforschung herausgefordert. Gerade mit Blick auf die Nutzung bisher nicht verwerteter Roh- und Reststoffe wie Holz und Stroh werden große Hoffnungen in die Forschung gesetzt.

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