Biopatente und Welternährung

Patente auf Saatgut sind ein zentrales Thema in der gesellschaftlichen Diskussion um moderne Pflanzenzüchtung und landwirtschaftliche Entwicklung. Welchen Einfluss haben Biopatente auf die Strukturen der Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion? Und welche Fragen einer globalen Gerechtigkeit werden berührt?

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Trockentolerante Maissorten für Afrika: Sind Patente ein Hindernis für eine „humanitäre Pflanzenzüchtung?“

Biotechnologische Innovationen sollen die Produktivität auf dem Feld steigern

Angesichts steigender Bevölkerungszahlen, ausgelaugter Böden, unkalkulierbarer Klimaschwankungen und Wasserknappheit soll eine nachhaltige, intensivierte Landwirtschaft die Ernährung der Weltbevölkerung sicherstellen. Dabei soll sowohl die Produktivität des Anbaus unter verschiedenen Umweltfaktoren erhöht als auch gleichzeitig die vorhandenen Ökosysteme geschützt werden. Große Hoffnung wird in biotechnologische Innovationen im Bereich der Pflanzenzüchtung gesetzt. Das Wissen aus der Grundlagenforschung soll für die Anwendung in der Landwirtschaft aufbereitet werden.

Allerdings kann Pflanzenzüchtung und –forschung allein das Problem einer nachhaltigen und gerechten Welternährung/Landwirtschaft nicht lösen. Eine „agroindustrielle“ Landwirtschaft wie in Teilen Europas und Nord- und Südamerika kann nicht einfach auf Entwicklungs- und Schwellenländer übertragen werden. Eine kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft zur Erzeugung von Grundnahrungsmitteln weist andere Anforderungen auf als der kommerzielle Anbau von Pflanzen für den Export. Welche Art der Landwirtschaft den größten Erfolg verspricht, ist von vielen Faktoren abhängig und kann nicht grundsätzlich entschieden werden. Klar ist hingegen, dass die vielfältigen Herausforderungen beträchtliche Investitionen sowohl in die Agrarforschung als auch bei der Förderung unterschiedlicher Landwirtschaftsformen benötigen.

Investitionsanreiz durch Biopatente oder Hemmung technischer Entwicklungen?

Die Möglichkeit des Patentschutzes im Bereich der Pflanzenzüchtung soll wirtschaftliche Anreize für Unternehmen schaffen in diesen Bereich zu investieren, um neue, konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln und die hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Wie sich Patente im Allgemeinen auf den technischen Fortschritt auswirken, ist nicht abschließend geklärt. Patente auf biotechnologische Erfindungen haben in erster Linie einen Einfluss auf Züchtungsunternehmen und ihre Arbeitsweise. Weil Züchtung immer auf die Leistung vorangegangener Arbeiten aufbaut, stellt das Patentsystem einen Einschnitt in die bisherige Vorgehensweise dar, indem es exklusive Nutzungsrechte schafft und damit bestimmte genetische Ressourcen der allgemeinen Verfügbarkeit entzieht. Entscheidend ist daher, dass für eine Patenterteilung tatsächlich ein neuer, technischer und innovativer Schritt erfolgt ist; dies ist in der Praxis nicht immer einfach zu beurteilen. Worauf und wie weitreichend ein Schutzanspruch auf eine Erfindung gewährt wird, hängt von der Gesetzgebung und den Patentämtern der jeweiligen Länder ab. Da der Patentschutz für jedes Land extra beantragt werden muss und langfristig mit hohen Kosten verbunden ist, melden Unternehmen ihre Patente häufig nur in geeigneten Absatzmärkten wie den USA, Europa oder Brasilien an. In vielen anderen Ländern wird entsprechendes Saatgut ohne Patentschutz erfolgreich verkauft, z.B. Bt-Baumwolle in Indien oder herbizidresistente Sojabohnen in Argentinien.

Führen Biopatente zu Monopolen?

Häufig wird kritisiert, dass vor allem global agierende Saatgutunternehmen von Patenten profitierten, die damit eine große Marktmacht erlangen und lokale Züchtungsunternehmen verdrängen. Monopole sind aus wettbewerbstheoretischer Sicht grundsätzlich kritisch zu betrachten, da in diesen Fällen die Nachfrage nach diversem Saatgut nicht optimal erfüllt wird. Biopatente können einen Einfluss darauf haben, ob sie aber die dominante Ursache für diese Vorgänge sind, ist nicht eindeutig festzustellen.

Biopiraterie und Vorteilsausgleich für traditionelles Wissen

Insbesondere im kirchlichen Raum werden Biopatente jedoch sehr kritisch bewertet. Es wird behauptet, dass Patente auf Saatgut einen Trend in der industrialisierten Landwirtschaft fortsetzen, der zu einer verstärkten Gefährdung der Artenvielfalt und der Ernährungssicherheit führt. Zum einen wird die sogenannte Biopiraterie kritisiert, weil genetische Ressourcen und das traditionellen Wissen im Blick auf besondere Eigenschaften von Pflanzen ohne vorherige Zustimmung der Länder, aus denen sie kommen, genutzt und teilweise patentiert werden. Dieses Problem gilt nicht nur für Patente, sondern für jegliche kommerzielle Nutzung von genetischen Ressourcen. Zur Recht wird deshalb gefordert, dass bei der Anmeldung von Patenten die Offenlegung der Herkunft erfolgen muss, um einen gerechten Vorteilsausgleich zu ermöglichen.

Die „Konvention über die biologische Vielfalt“ (CBD ) sieht deshalb einen bilateral angelegten Vorteilsausgleich vor, der in vielerlei Hinsicht jedoch Probleme bei der Umsetzung bereitet: Denn im Falle einer landwirtschaftlichen Nutzung herrscht Unklarheit, wer denn eigentlich der Bereitsteller der genetischen Ressource ist. Außerdem sind nur solche Pflanzensorten für die Landwirtschaft von Nutzen, die einer kontinuierlichen Weiterentwicklung durch Züchter unterzogen werden, was die Zurechnung der Frage nach der Herkunft allerdings verschärft. Deshalb trat 2004 der „Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Landwirtschaft und Ernährung“ (ITGRFA) in Kraft – kurz: „Internationaler Saatgutvertrag“ - , bei dem 127 Mitgliedsländer sich gegenseitig einen freien Zugang zu bedeutsamen pflanzengenetischen Ressourcen gewähren. Diese Form des multilateralen Vorteilsausgleichs schränkt die Nutzung von Patenten lediglich dann ein, wenn diese sich auf unveränderliches Ausgangsmaterial bezieht.

Erfolgreiche Implementierung von Pflanzenzüchtung in (land)wirtschaftlicher Praxis

Nahrungsmittelmangel in Armuts- oder Entwicklungsländern kann viele Ursachen haben. Die Folgen des Klimawandels verschärfen die Probleme bei der Wasserversorgung und beim Anbau. Dazu kommt, dass in vielen Regionen sich auf Grund der Umweltbedingungen nur extensive Landwirtschaft betreiben lässt. Anstatt Hochleistungssorten, die auf hohe Nährstoffverfügbarkeit und ausreichend Wasserversorgung ausgelegt sind, werden Pflanzensorten benötigt, die lokal angepasst sind. Jedoch wird verhältnismäßig wenig Geld in Forschung und Züchtung solcher Pflanzen investiert, die als wichtiges Grundnahrungsmittel in Entwicklungsländern dienen. Staatlich finanzierte Projekte alleine können nicht die vielfältigen Ansprüche nach neuen Pflanzensorten abdecken.

Verschiedene Initiativen von Public-Private-Partnerships (PPPs) verfolgen das Ziel, moderne Technologien einzusetzen, um den Züchtungsprozess für Pflanzen wie Maniok (Cassava) oder Sorghum (Hirse) zu beschleunigen. Für ein Züchtungsprojekt, das in der landwirtschaftlichen Praxis erfolgreich ist, benötigt es mehr als technische Expertise, da auch Marktstrukturen, Versorgungswege und andere Faktoren berücksichtigt werden müssen. In PPPs können die Vorzüge der verschiedenen Akteure genutzt werden: öffentliche Forschungseinrichtungen liefern das notwendige Wissen und technische Ausstattung, Wohlfahrts-Stiftungen oder auch Banken die finanzielle Ressourcen, und Unternehmen unterstützen den Kommerzialisierungsprozess. Geistige Eigentumsrechte sind für Unternehmen ein wichtiger Teil ihres Geschäftsmodells und Anreiz für Investitionen und Engagement. Zahlreiche Züchtungsprojekte, bei denen zugrundeliegende Patentansprüche über spezielle Lizenzierungsvereinbarungen für humanitäre Zwecke geregelt sind, wurden in den letzten Jahren auf dieser Basis angestoßen.


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Beispiel für Public Privat Partnership: Züchtung von trockentoleranten Maissorten für Afrika (WEMA). Die neuen Maissorten, die auch bei (moderater) Dürre gute Erträge liefern, sind bisher an zwei Millionen Kleinbauern in 13 afrikanischen Ländern verteilt worden. Im Rahmen des WEMA-Projekt wird sowohl mit gentechnischen wie mit andere modernen Züchtungsverfahren gearbeitet. Gentechnisch veränderte Maissorten werden derzeit in Freolandversuchen getestet, jedoch bisher nicht eingesetzt.

Fotos: Anne Wangalachi/CIMMYT

Fairer Technologietransfer durch humanitäre Lizenzen

In der Grundlagenforschung kommt es immer wieder zu technologischen Entwicklungen, die auch kommerziell genutzt werden könnten. Da Universitäten nicht die notwendigen Strukturen besitzen, um neue Produkte auf den Markt zu bringen, gehen sie Kooperationen mit der Industrie ein. Private Unternehmen sind in den meisten Fällen nur bereit sich an diesen Kooperationen zu beteiligen, wenn sie einen konkreten Nutzen daraus ziehen. Dieser kann darin bestehen, dass das entwickelte Produkt vom Unternehmen kommerziell verwertet wird, während gleichzeitig die Nutzung für wohltätige Zwecke über sogenannte humanitäre Lizenzen freigestellt ist. Damit wird auf fehlende Investitionsanreize reagiert, wie sie für Medikamente oder Pflanzensorten in Entwicklungsländern bestehen können. Gleichzeitig bieten humanitäre Lizenzen eine Möglichkeit, wie öffentlich finanzierte Forschungsinstitute ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen können.

Zwei Beispiele:

  • Die Two Blades Foundation finanziert Grundlagenforschung und hat nicht-exklusive Lizenzen der TAL-Effektor-Technologie zur Pflanzenzüchtung an mehrere große Biotechnolgiekonzerne vergeben. Im im Gegenzug erhält die Stiftung die Möglichkeit auf Weiterentwicklungen der Technologie durch das Unternehmens für humanitäre Projekte einzusetzen.
  • Das Water Efficient Maize for Africa _-Projekt (WEMA) ist ein Zusammenschluss der _Bill and Melinda Gates Foundation, einem großen Biotechnologieunternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen in Afrika, um trockentoleranten Mais zu entwickeln. Diese Sorten werden über afrikanische Saatguthersteller kostenfrei für die Subsistenzlandwirtschaft bereitgestellt – die kommerzielle Vermarktung steht dem Unternehmen zu.

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