Genome Editing. Müssen wir über Gentechnik neu nachdenken?

Das Erbgut verändert sich ständig. Aber auch das Denken und Forschen des Menschen bleibt nicht stehen. Seit Jahrtausenden ist die Züchtung von Pflanzen ein ständiger Prozess, in den schon immer Wissen und Erfahrung eingeflossen sind: Anfangs vor allem Geschick und genaue Beobachtungen, später zunehmend naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Heute kommen sie vor allem aus Genetik, Zell- und Molekularbiologie. Die Erfolge der modernen Pflanzenzüchtung sind beeindruckend. Und doch verlaufen sie ausgesprochen langwierig, sind oft kostspielig und nicht immer so treffsicher wie erhofft.

In den letzten Jahren wurden neue Züchtungstechnologien entwickelt, mit denen Gene – oder besser: einzelne DNA-Bausteine – „umgeschrieben“ werden können. Darum werden diese Verfahren auch als Genome Editing bezeichnet. Sie sind in der Lage, bei Organismen mit bisher unerreichbarer Präzision Mutationen gezielt auszulösen. Als revolutionär gilt heute das neue Verfahren namens CRISPR/Cas9. Es basiert auf einem natürlichen Immunabwehrmechanismus bei Bakterien und ist schneller, billiger und weniger kompliziert als frühere Techniken. Seit seiner Entdeckung im Jahr 2012 begeistert CRISPR/Cas die Wissenschaftswelt.

Öffentliche Forschungseinrichtungen, aber auch privatwirtschaftliche Pflanzen- und Tierzuchtbetriebe erkunden gegenwärtig die neuen Einsatzmöglichkeiten. Noch befinden sich die meisten innovativen Züchtungsprojekte in der Testphase. Der Weg zur Zulassung neuer Sorten erscheint aber nicht mehr weit. So ist es z.B. Forschern in China gelungen, mit Hilfe von Genome Editing eine Weizensorte zu züchten, die gegen eine weit verbreitete Pilzerkrankung (Echter Mehltau) resistent ist. Mit Veränderungen dieser Art könnte es gelingen, zukünftig den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erheblich zu verringern.

Angesichts des rasanten Bevölkerungswachstums, zunehmender Trockenperioden und steigender Temperaturen suchen Naturwissenschaftler mit Hilfe der neuen Techniken passgenaue Lösungen für die Landwirte und für den Umweltschutz. Bei der Einschätzung des Nutzens spielen neben ökonomischen vor allem auch rechtliche und ethische Überlegungen eine Rolle: Wie ist die Sicherheit der neuen Techniken zu bewerten? Müssen sie wie die klassische Gentechnik reguliert werden oder sind sie mit den bisherigen, nicht regulierten Techniken der Mutationszüchtung vergleichbar? Und soll der Gesetzgeber für Produkte aus Genome Editing eine Kennzeichnung vorschreiben, auch wenn die Veränderung – anders als bei transgenen Verfahren – im Endprodukt nicht mehr nachweisbar ist?

Auch ethische Grundsatzfragen bestimmen den gesellschaftlichen Diskurs um Genome Editing: Sind die aus ihnen hervorgegangenen Produkte weniger „natürlich“ als die Futter- und Lebensmittel, die wir bisher als Ergebnis unserer Kulturpflanzenzüchtung gewonnen haben? Doch was meinen wir eigentlich, wenn wir Pflanzen den Wert der Natürlichkeit zuschreiben? Ist „Natürlichkeit“ ein gutes Kriterium für die Wahlfreiheit, die der Verbraucher ausübt, wenn er über Vor- und Nachteile von Produkten aus neuen Züchtungstechnologien urteilt? Ist „natürlich“ sicherer? Oder doch eher ein moralisches Kriterium, dessen Güte angesichts der neuen Techniken der Pflanzenzüchtung diskutiert werden muss?

Zu all diesen Fragen finden Sie künftig auf dem Webportal „Pflanzen-Forschung-Ethik.de“ zahlreiche Informationen, weiterführende Links und Hinweise auf aktuelle Debatten. Soviel sei jetzt schon gesagt: Es lohnt sich, über die modernen Techniken der Pflanzenzüchtung neu nachzudenken, um sich ein fundiertes Urteil bilden zu können.

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