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Wohlergehen und Wohlstand –
Von den Grundbedürfnissen zum Glück des Menschen

Jeder ist seines Glückes Schmied, lautet eine Redensart. Doch auf der Suche nach einem erfolgreichen und zufriedenen Leben geht es nicht nur um den guten Willen und das Vermögen des Einzelnen. Wohlergehen ist auf Ordnungen des Zusammenlebens angewiesen. Diese Ordnungen organisieren die Interessen aller Bürger und arbeiten so an der Mehrung des allgemeinen Nutzens. Sichtbar wird dies am wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes. Doch führt wirtschaftliche Prosperität automatisch zu Wohlergehen?

BIP weltweit 2012

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2012 in den reichsten und ärmsten Ländern der Erde

Grafik: i-bio
Titelfoto: I. Rasche / pixelio.de

Glück kann man nicht messen, sehr wohl aber ökonomischen Wohlstand. So kann man den Gesamtwert aller Güter (Waren und Dienstleistungen) heranziehen, die innerhalb eines Jahres in den Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt werden (vgl. Bruttowertschöpfung). Rechnet man dieses Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, so schneidet Deutschland international gesehen mit 41.513 US-Dollar (2012) gut ab. In Luxemburg ist das BIP pro Kopf mit 107.206 US-Dollar aktuell (2012) am höchsten (vgl. Grafik). In den Ländern des Südens sieht es dagegen ganz anders aus: Der Kontinent mit dem niedrigsten BIP pro Kopf ist Afrika. In der Region südlich der Sahara betrug das BIP pro Kopf im Jahr 2012 lediglich rund 1.300 US-Dollar. Fragt man nach den Gründen von Armut, so wird man diese in erster Linie als Ergebnis eines sozialen Ausgrenzungsmechanismus sehen. Arme Menschen leben am unteren Ende der sozialen Hierarchie, wo der Einzelne nicht mehr aus eigener Kraft einen Lebensstandard erreichen kann, der ihm zumindest das Existenzminimum sichert.

Wohlergehen und die Befriedigung von Grundbedürfnissen

Unumstritten ist, dass die Erreichung und Sicherung eines menschenwürdigen Lebensstandards - und damit ein grundlegendes Wohlergehen - ohne die Befriedigung von minimalen Grundbedürfnissen nicht erreicht werden kann. Als solche „basic needs“ werden sowohl materielle Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wasser, Gesundheit, Kleidung, Wohnung und Infrastruktur als auch immaterielle soziale und geistige Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Freiheit, Selbstbestimmung, Bildung und Arbeit bezeichnet. Bereits hier wird deutlich, dass unter die minimalen Grundbedürfnisse sehr einfach zu beschreibende Güter, wie beispielsweise klimaangepasste Bekleidung, aber auch abstrakte und schwer zu definierende Zustände, wie zum Beispiel Freiheit, fallen. Darüber hinaus stehen viele der oben aufgezählten Elemente in komplexen Wechselbeziehungen zueinander. Man denke nur an die politischen Diskussionen um Abwägungen zwischen Freiheit und Sicherheit.

Gesundheit als zentrales Gut

Auch bei der Gesundheit handelt es sich um einen Zustand, der sich nur schwer präzise fassen lässt. Unzweifelhaft ist jedoch, dass der Zugang zu Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser für die Gesundheit von Menschen vorausgesetzt werden muss. Landwirtschaft spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Einerseits kann eine globale und ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln nur durch eine effektive Bewirtschaftung der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen erreicht werden. Andererseits gehen von der Landwirtschaft potentiell auch Gefahren für die Gesundheit aus. So muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer problematischen Belastung des Trinkwassers kommt. Außerdem muss Landwirtschaft so betrieben werden, dass sich dadurch keine Gesundheitsgefahren für die Menschen in ihrer Umgebung ergeben - beispielsweise durch Belastung mit Pestiziden oder Krankheiten, die von (Nutz-)Tieren auf Menschen übertragen werden. Um das Wohlergehen gerade in armen Regionen der Erde zu steigern, bedarf es also einer gezielten und wohlüberlegten Entwicklung landwirtschaftlicher Verfahrensweisen.

Lebensqualität und Kritik am Wachstum

Auch wenn für Deutschland ein hohes Wohlstandsniveau charakteristisch ist, wird dies von der Bevölkerung nicht automatisch als Steigerung des Wohlergehens interpretiert. So zeigen Umfragen regelmäßig, dass Freiheit von Sorgen und das Bedürfnis nach Sicherheit oft höher bewertet werden als die Steigerung gesamtgesellschaftlichen Wachstums. Das eigene Wohlergehen wird auch von unterschiedlichen äußeren Faktoren abhängig gemacht, etwa dem sozialen und familiären Umfeld oder der natürlichen Umwelt.

Die Diskrepanzen zwischen Wohlstand und Wohlergehen werden auch in verschiedenen ökonomischen Theorien thematisiert. Seitdem der US-amerikanische Ökonom Dennis L. Meadows (* 1942) im Jahre 1972 im Auftrag des Club of Rome die „Grenzen des Wachstums“ (The Limits to Growth) veröffentlichte, hält die Diskussion um die wohlstandsmindernden Folgen des Wirtschaftswachstums an. Neben Verfechtern eines „Nullwachstums“ zur Erhaltung des Wohlergehens plädiert beispielsweise die Europäische Kommission, aber auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) angesichts globaler Probleme wie Bevölkerungswachstum, Ressourcenknappheit, Artensterben und Klimawandel für ein „grünes Wachstum“ und eine „green economy“. Sie vertreten die Position, dass in einer nachhaltig orientierten Marktwirtschaft zur Lösung der ökologischen und sozialen Probleme auf Wettbewerb nicht verzichtet werden kann. Ins Zentrum rückt dann die Frage, wie Kriterien des Wohlergehens von Mensch und Natur so in die staatliche Rahmenordnung des Wirtschaftens integriert werden können, dass der Wettbewerb die anzustrebende Sicherung von Grundgütern nicht aufhebt.

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