Weizenzüchtung Bonitur

Klassische Pflanzenzüchtung – Eine lange Geschichte

Das Ziel der Pflanzenzüchtung ist es, die vererbbaren Eigenschaften von Nutzpflanzen so zu beeinflussen und zu verändern, dass die Pflanzen den Anforderungen und Bedürfnissen des Menschen besser entsprechen. Sie begann mit der Domestikation von Wildpflanzen in der Jungsteinzeit. Die wissenschaftliche Grundlage der modernen Pflanzenzüchtung ist die Genetik.

Mais und Teosinte

Mais: Eine zehntausendjährige Züchtungsgeschichte. Durch fortwährende Auslese gelang es den Indianern Mittelamerikas, aus dem unscheinbaren Wildgras Teosinte (Foto: links) Kulturmais mit einem vielfach größeren Kolben hervorzubringen.

Foto: Hugh Iltis

Rapsbluete

Raps: Neue Eigenschaften durch Züchtung. Raps war lange Zeit eine kaum nutzbare Kulturpflanze. Das änderte sich, als es gelang, zwei Inhaltsstoffe „wegzuzüchten“: Die bittere Erucasäure und die vor allem für Tiere unverträglichen Glucosinolate. Erst danach konnte Raps als hochwertiges, bekömmliches Lebens- und Futtermittel verwendet werden - und der Anbau nahm rasch zu. Die Züchter hatten lange nach wilden Rapsformen gesucht, in denen einer der Stoffe nur in geringen Mengen vorkam. Diese wurden mit Kulturraps gekreuzt. Doch es dauerte noch viele Jahre, bis die dabei mit übertragenen nicht erwünschten Eigenschaften wieder aus den Kultursorten entfernt waren. Moderne Rapssorten werden als „Doppel-Null“(00)-Raps bezeichnet.

Foto: i-bio

Vereinzelung Rübenkeimlinge

Zuckerrüben: Weniger Arbeit durch Züchtung. Der Anbau von Zuckerrüben war lange Zeit extrem abeitsintensiv. Vor allem mussten die aufkeimenden Rübenpflänzchen „vereinzelt“ werden, da aus einem Saatkorn mehrere Keimlinge entstanden. Erst vor fünfzig Jahren kamen „monogerme“ Sorten auf den Markt. Züchter hatten in Russland eine einkeimige Sorte gefunden und dann in Kultursorten eingekreuzt. (Foto: Vereinzelung der Rübenkeimlinge)

Foto: Heimatmuseum Seelze Titelfoto: BDP (Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter)

Die Geschichte der Pflanzenzüchtung beginnt mit der Domestikation von Wildpflanzen in der Jungsteinzeit. Diese erfolgte nach dem Prinzip der Auslesezüchtung: Aus einer Pflanzenpopulation wurden über Generationen hinweg immer wieder diejenigen Exemplare ausgewählt und weitervermehrt, die die gewünschten Eigenschaften aufwiesen. Das Ergebnis oft jahrhundertelanger Ausleseprozesse waren Landsorten, die gut an lokale Umweltbedingungen angepasst waren.

Um 1800 formulierte Gregor Mendel aufgrund eigener Kreuzungsexperimente mit Erbsen die nach ihm benannten Vererbungsregeln. Nachdem die Mendelschen Regeln zunächst in Vergessenheit gerieten, wurden sie Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und werden seitdem in der Züchtung angewendet. Eine wichtige Erkenntnis von Mendel ist die Rekombination des Erbguts. Bei Organismen, die sich geschlechtlich vermehren, gibt jedes Elternteil immer nur einen Teil seines Erbguts weiter, und so wird das Erbgut bei den Nachkommen neu kombiniert. Diese Erkenntnis macht man sich bei der Kombinationszüchtung zunutze: Individuen einer Art, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, werden gezielt miteinander gekreuzt.

Genpool und genetische Ressourcen

Um immer wieder Pflanzensorten mit neuen oder verbesserten Eigenschaften entwickeln zu können, müssen die Züchter auf eine Vielfalt unterschiedlicher Gene, Genvarianten, Merkmale, Pflanzenlinien, Sorten oder Wildarten zurückgreifen können. Eine möglichst große genetische Variabilität innerhalb einer Kulturart ist die entscheidende Vorausetzung für jede Züchtung.

Diese Vielfalt erzeugt der Züchter in seinem Zuchtgarten, in dem er zahlreiche Pflanzenvarietäten mit unterschiedlichen Eigenschaften kultiviert. Doch oft reicht sein eigenes Ausgangsmaterial nicht aus, um züchterischen Fortschritt erzielen zu können. Dann muss man auf jene genetischen Ressourcen zurückgreifen, die in Genbanken gelagert und erhalten werden. Allein die Genbank Gatersleben in Sachsen-Anhalt, eine der weltweit größten, verfügt über einen Bestand von über 150.000 Samenmustern aus mehr als 3.000 Arten. Die Genbanken wirken nicht nur dem Aussterben von Kulturpflanzen entgegen, sondern bewahren die für die Züchtung notwendigen genetischen Ressourcen.

Wenn etwa neue robuste Sorten gefragt sind, die mit Kälte und rauhen klimatischen Bedingungen besser zurecht kommen, dann suchen die Züchter unter den Samenmustern, die von solchen Standorten stammen, gezielt nach einzelnen Pflanzen, die sich besondern gut an diese Bedingungen angepasst haben. Kreuzt man diese Pflanzen mit einer vorhandenen Kultursorte, um die gewünschte Eigenschaft zu übertragen, werden in der Regel auch eine Reihe anderer, unerwünschter Eigenschaften mit übertragen, die durch langwierige Rückkreuzungsprozesse wieder entfernt werden müssen. Die Entwicklung einer neuen Sorte kann je nach Merkmal zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bei manchen Kulturarten sogar noch länger.

Gleich, ob mit herkömmlichen oder neuen Verfahren - im Kern sind die Ziele der Pflanzenzüchtung immer gleich geblieben: Es geht um mehr Ertrag, Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge, Anpassung an äußere Bedingungen wie Klima und Boden, gute Anbaueigenschaften und die Qualität der Ernteprodukte. Die klassische Pflanzenzüchtung kann dafür nur das genetische Material nutzen, das sich im Genpool einer Art befindet, also solche Gene und Eigenschaften von Pflanzen, die sich miteinander kreuzen lassen und Nachkommen hervorbringen. Es gibt jedoch eine Reihe von interessanten Eigenschaften, die sich nicht mit klassischer Züchtung bearbeiten lassen, etwa Resistenzen gegen bestimmte Schädlinge oder Pilz- oder Viruskrankheiten, vor allem wenn die Erreger aus anderen Weltregionen eingeschleppt wurden und heimische Pflanzen keine Resistenzen entwickeln konnten.

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