Durchwachsene Silphie Titel

Energiepflanzen – Mehr Effizienz durch Züchtung?

Nach anfänglicher Euphorie ist nun Ernüchterung eingekehrt: Pflanzen als Basis für Bioenergie haben nicht nur eine weniger gute Klimabilanz als anfangs erwartet. Der steigende Nutzungsdruck auf Agrarflächen lässt weltweit auch eine Verteuerung und Knappheit der Lebensmittel befürchten. Können neu gezüchtete Energiepflanzen Wirkungsgrade und Ökobilanzen entscheidend verbessern? Oder den Konflikt zwischen Teller und Tank zwar nicht lösen, aber wenigstens entschärfen? Jenseits von Raps und Mais gibt es verschiedene Ansätze.

Biogasanlage Lichtenbusch

Biogas, das bei der kontrollierten Vergärung von Biomasse entsteht, wird in Deutschland immer stärker nachgefragt.

Foto: Markus Belde

Maiskolben

Mais erbringt in Biogasanlagen eine besonders hohe Ausbeute, die bislang mit keiner anderen Pflanze erreicht wird. Züchter arbeiten daran, die Biomasseproduktion bei Mais weiter zu steigern und andere Pflanzenarten „konkurrenzfähig“ zu machen.


Seit Anfang des 20. Jahrhunderts basieren die Wirtschaft und der Alltag in den Industrie- und Schwellenländern auf der Nutzung fossiler Energieträger: Erdöl, Kohle und Erdgas. Es gilt als erwiesen, dass das dadurch freigesetzte Kohlendioxid eine wichtige Ursache ist für den Treibhauseffekt und damit für den Klimawandel. Deshalb und auch weil die fossilen Energieträger in absehbarer Zeit zur Neige gehen, wird seit rund zwanzig Jahren die Nutzung erneuerbarer Energien vorangetrieben: Sonnen- und Windenergie, Wasserkraft, Erdwärme und Energie aus Biomasse.

Zu der energetisch nutzbaren Biomasse zählen verschiedene organische Abfälle, die größte Bedeutung hat aber pflanzliches Material. Holz und holzige Pflanzenteile sowie Pflanzenöle können direkt verbrannt werden, alle anderen biogenen Energieträger gewinnt man erst durch Vergärung oder chemische Umwandlung des pflanzlichen Materials.

So werden zucker- und stärkehaltige Pflanzenteile wie Getreidekörner mit Hilfe von Hefen zu Bioethanol vergoren, Biodiesel entsteht durch eine chemische Umwandlung (Veresterung) von Pflanzenöl, und Biogas erhält man, indem man ganze Pflanzen und Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss von Bakterien vergären lässt. Verfahren, bei denen Biomasse vergast wird, um daraus verschiedene Kohlenwasserstoffe (Methan, Benzin) zu gewinnen, befinden sich noch in der Entwicklung.

2016 wurden in Deutschland 8,6 Prozent des verbrauchten Stroms und 11,8 Prozent der verbrauchten Wärme aus Biomasse erzeugt, hauptsächlich über die Nutzung von Biogas. Bislang wird Biogas vor allem in dezentralen Blockheizkraftwerken verbrannt, die Strom und Wärme für nahegelegene Haushalte erzeugen. Es kann aber auch auf Erdgasqualität aufbereitet und in das vorhandene Gasnetz eingespeist werden.

Von den 2016 in Deutschland verbrauchten Kraftstoffen wurden 4,6 Prozent aus Biomasse erzeugt. Davon entfielen etwa zwei Drittel auf Biodiesel aus Raps und ein Drittel auf Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben.

Knapp zwei Drittel der erneuerbaren Energien werden in Deutschland aus Biomasse erzeugt. Großer Vorteil gegenüber Sonnen- und Windergie ist, dass Biomasse speicherfähig ist.

Züchtungsziele bei Energiepflanzen

Weltweit werden in zunehmendem Maße Nutzpflanzen angebaut, die eigens für die Energiegewinnung bestimmt sind. In Deutschland wurden solche Pflanzen 2015 auf 11,9 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen angebaut, davon fast 70 Prozent Raps zur Erzeugung von Biodiesel und Mais für die Biogasproduktion. Um eine größere Agrobiodiversität zu ermöglichen, arbeiten Züchter daran, auch andere Pflanzenarten besser für die Erzeugung von Bioenergie nutzbar zu machen, z.B. Roggen, Sorghum-Hirse, Zuckerrüben oder Sonnenblumen.

Letztlich geht es bei der züchterischen Bearbeitung von Energiepflanzen immer darum, eine möglichst hohe Energieausbeute bei möglichst geringem Flächen- und Ressourcenverbrauch zu erreichen. Je nach Pflanze und Nutzungsart versucht man das auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen:

  • Pflanzen, die als Ganzes für die Energieerzeugung eingesetzt werden, wie es etwa bei der Vergärung in Biogasanlagen der Fall ist, müssen möglichst viel Gesamttrockenmasse produzieren. Hier ist die Biomasseleistung ein wichtiges Züchtungsziel.
  • Einige Pflanzenarten wie Mais, Zuckerrohr, Hirse oder Chinaschilf (Miscanthus) können aufgrund einer besonderen Variante der Photosynthese (C4-Pflanzen) Sonnenlicht, Wasser und Stickstoff wesentlich effektiver verwerten: Sie bilden in einer Vegetationsperiode deutlich mehr Biomasse. Die meisten dieser C4-Pflanzen stammen aus tropischen Regionen. Um ihre Fähigkeiten in Mitteleuropa nutzen zu können, müssen sie mit züchterischen Mitteln an die klimatischen Bedingungen angepasst werden.
  • Ein anderer Ansatzpunkt ist eine Veränderung der Inhaltsstoffe, z.B. eine Steigerung des Zuckergehalts oder eine Senkung des Ligningehalts. Zucker kann besonders gut zu Bioethanol oder Biogas umgesetzt werden, Lignin dagegen setzt den Methangehalt von Biogas herab und verhindert, dass für die Produktion von Bioethanol ganze Pflanzen genutzt werden können.
  • Ein weiteres Züchtungsziel ist die Anpassung von Energiepflanzen an verschiedene Fruchtfolgen und Mischkulturen. Damit soll einem Anbau in Monokulturen - mit negativen Folgen für die Biodiversität - vorgebeugt werden.
  • Bisher beschränkt sich die Bioenergienutzung auf wenige Kulturarten. Eine größere Auswahl geeigneter Arten erhöht nicht nur die Vielfalt des Landschaftsbilds („Vermaisung“), sondern trägt auch dazu bei, dass die Artenvielfalt auf den Agrarflächen nicht weiter zurückgeht. Blühende Energiepflanzen wie etwa die Durchwachsene Silphie bieten gute Lebensbedingungen für Bienen und andere blütenbesuchende Insekten. Viele dieser „alternativen Energiepflanzen“ sind jedoch bisher züchterisch kaum bearbeitet worden. Deswegen ist ein Anbau als Energiepflanze unter mitteleuropäischen Bedingungen für die Landwirte bisher wirtschaftlich nicht interessant. Einge Züchter, aber auch die öffentliche Agrarforschung arbeiten daran, diese Lücken zu schließen. Ziel ist es, den Anbau und die energetische Verwertung alternativer Energiepflanzen wirtschaflich attraktiver zu machen.

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