Weizenfeld

Welternährung –
Führen mehr Nahrungsmittel dazu, dass alle satt werden?

Bilder von hungernden Menschen verursachen bei denjenigen, die satt sind, ein Gefühl der Empörung und der Scham. Es gibt doch ausreichend Lebensmittel. Könnten diese auf der Welt nicht besser verteilt werden? Aber die Frage der Welternährung entscheidet sich nicht nur an den Möglichkeiten ihrer Verteilung. Auch der ökonomische und ökologische Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist entscheidend. Und nicht zuletzt: Wie können wir die landwirtschaftlich genutzten Flächen effektiver nutzen, ohne zu viel Wasser und andere Ressourcen zu verbrauchen?

Hunger und Unterernährung weltweit

Hunger und Unterernährung weltweit

Grafik: pigurdesign/biosicherheit.de

Folgen von Unterernährung:

  • Gewichtsabnahme; extreme Unterernährung führt zu Kachexie (hochgradiges Untergewicht) und Marasmus (Abbau von Körperfett und Muskulatur)
  • Einschränkung der Organtätigkeiten (unter anderem Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen, Schluckbeschwerden)
  • „Hungerödem“ (aufgeblähter Bauch); Kwashiorkor (Eiweißmangelkrankheit)
  • Muskelschwäche
  • Konzentrationsstörungen
  • Darmträgheit (Verstopfung)
  • Anfälligkeit für Infektionen
  • Im Kindesalter: Zurückbleiben in der körperlichen und geistigen Entwicklung (Retardierung)

Titelfoto: USDA Agricultural Research Service

Das Recht auf angemessene Nahrung ist laut Artikel 25 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ und Artikel 11 des „Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (UN-Sozialpakt) ein völkerrechtlich verankertes Menschenrecht. Jedem wird das Recht zugesprochen, vor Hunger und Mangelernährung geschützt zu sein. Doch kann man angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, einer möglichen Erderwärmung und daraus folgenden Dürren und Überschwemmungen dieses Menschenrecht noch einfordern? Kann Ernährungssicherheit weltweit überhaupt gewährleistet werden?

Ernährungssicherheit und Mangelernährung

Als Ernährungssicherheit bezeichnet man die ausreichende Verfügbarkeit von Nahrung und den grundsätzlichen Zugang zu Lebensmitteln. Um von Ernährungssicherheit sprechen zu können, müssen laut Definition des UN-Wirtschafts- und Sozialrates vier Kriterien erfüllt sein:

  • Verfügbarkeit von Nahrung: die Möglichkeit, sich entweder direkt dank ertragreicher Böden oder über funktionierende Verteilungssysteme ausreichend zu ernähren
  • Zugangsmöglichkeit zu Nahrung: die Zugangsmöglichkeit für physisch schwache Mitglieder einer Gemeinschaft zu einer ausreichenden Ernährung sowie auch genügend finanzielle Mittel für eine ausreichende Ernährung
  • Dauerhaftigkeit der Nahrungsversorgung: die Möglichkeit und Gewährleistung einer sicheren Versorgung mit Lebensmitteln auch in Zukunft
  • Verwertungsmöglichkeit von Nahrung: die Möglichkeit einer sachgemäßen, etwa den hygienischen Mindeststandards entsprechenden Verarbeitung von Nahrung.

Ernährungssicherheit ist dann erreicht, wenn die Mitglieder einer Gesellschaft oder einer Familie nicht hungern oder Unterernährung befürchten müssen.

Weltweit leiden über 850 Millionen Menschen an Unterernährung, für das Jahr 2008 ging man sogar von weltweit mehr als 950 Millionen Menschen aus. Auch wenn sich laut UNICEF-Angaben die weltweite Kindersterblichkeit in den vergangenen zwanzig Jahren fast halbiert hat, werden 51 von tausend lebend geborenen Kindern im globalen Durchschnitt nicht einmal fünf Jahre alt. Unterernährung ist vor allem in Entwicklungsländern ein Problem, insbesondere in Afrika. Laut internationaler Definition spricht man bei einem „Body Mass Index“ unter 18,5 von Unterernährung. Sie ist die unausweichlich Folge, wenn täglich weniger als 1690 Kalorien an Energie zugeführt werden und keine ausreichende Versorgung mit lebenswichtigen Vitaminen, Mineralstoffen, Proteinen und Energieträgern gewährleistet werden kann. Neben der Unter- ist auch die Überernährung zu einem weltweiten Problem geworden. In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil der Übergewichtigen gerade unter Kindern und Jugendlichen gestiegen. Im Jahr 2006 ging die Meldung durch die Presse, dass inzwischen eine Milliarde Menschen an Überernährung leiden, folglich mehr als an Unterernährung. Entgegen häufiger Behauptungen ist Überernährung nicht nur ein Phänomen der Industriestaaten: Gerade in den Schwellenländern stieg der Anteil der Übergewichtigen in den letzten zwanzig Jahren stark an, vor allem in China.

Was macht Lebensmittel teuer?

Nach einer Studie der Welternährungsorganisation FAO muss die Agrarproduktion bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 2005 um 70 Prozent gesteigert werden, wenn dann neun Milliarden Menschen ernährt werden sollen. Diese Prognose rechnet damit, dass der Fleischkonsum in den Schwellenländern aufgrund des steigenden Lebensstandards in wachsenden Städten erheblich ansteigen wird. Dies strapaziert wiederum die Nutzung landwirtschaftlichen Bodens für Futtermittel, die in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln treten.

Von herausragender Bedeutung für den Zusammenhang von Hunger und Armut in der Welt sind aber auch die Lebensmittelpreise. Neben der Urbanisierung, der Steigerung des Fleischkonsums und regional zum Teil erheblicher Ernteausfälle aufgrund von Klimaschwankungen kommen weitere Faktoren hinzu, die die Preisspirale beschleunigen: Börsenspekulation mit Agrarprodukten, Konkurrenz mit Energiepflanzen, und – vor allem – steigende Energiekosten für Produktion, Verarbeitung und Transport von Nahrungsmitteln.

Wo liegt die Lösung?

Die Lösung weltweiter Ernährungsprobleme wird sich angesichts ihrer Komplexität nicht einfach gestalten. Vor allem die Landwirtschaft wird angesichts einer stetig wachsenden Weltbevölkerung und des prognostizierten Klimawandels vor große Herausforderungen gestellt. Sie muss die Weltbevölkerung nicht nur ernähren können, sondern sollte dabei auch sozial und ökologisch verträglich sein. Mit anderen Worten: Die künftige Landwirtschaft muss effizienter und produktiver werden, um einen weiteren Verlust von Naturräumen zu vermeiden. Gleichzeitig muss sie den in diesem Sektor beschäftigten Menschen ein ausreichendes Einkommen bieten. Wie dies zu gestalten ist, wird unter Agrarwissenschaftlern sehr kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite heißt es, dass dies nur durch moderne Technologien wie die Biotechnologie zu erreichen ist, auf der anderen Seite wird auf mögliche vor allem ökologische Probleme einer intensivierten Landwirtschaft hingewiesen.

Die zukünftigen Herausforderungen der Welternährung erfordern auch ein Umdenken im Hinblick auf Lebensstile und Ernährungsweisen gerade in den westlichen Industriestaaten (Suffizienz). Dies gilt für die politisch-gesellschaftliche ebenso wie für die individuelle Ebene.In der Europäischen Union wird auf politischer Ebene seit einigen Jahren intensiv diskutiert, wie im internationalen Agrarhandel mit Agrarsubventionen oder Importzöllen umzugehen ist: Hindern Agrarsubventionen und Importzölle in der Europäischen Union Entwicklungsländer daran, die eigene Landwirtschaft weiterentwickeln zu können? Darüber hinaus wird im Rahmen der angestrebten Energiewende die Frage der Gewinnung von Treibstoffen aus Energiepflanzen problematisiert: Führt der Anbau von Getreide für Biokraftstoffe zu mehr Hunger auf der Welt? Auch auf individueller Ebene stellen sich viele Fragen, die den Komplex der Welternährung berühren. Dies betrifft nicht nur Fragen des Wegwerfens von Lebensmitteln, die gerade erst das Haltbarkeitsdatum überschritten haben, sondern auch des Konsums von Fleisch. So werden beispielsweise je nach Tierart bis zu zehn oder mehr Kalorien pflanzlichen Futters benötigt, um nur eine tierische Nahrungskalorie zu produzieren. Wie würde die weltweite Ernährungssituation aussehen, wenn sich alle Menschen den Luxus des Fleischessens erlauben?

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