Befall durch die Kraut- und Knollenfäule

Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln –
Wettlauf mit einem Erreger

Phytophthora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule hält weltweit Landwirte, Pflanzenzüchter und -forscher in Atem. Der extrem anpassungsfähige kleine Algenpilz begegnet neuen resistenteren Kartoffelsorten mit neuen Erregertypen, die die Resistenz immer wieder durchbrechen. Ein Wettlauf zwischen Pflanzenabwehr und Erreger, den Wissenschaftler aus Wageningen mit Hilfe der Gentechnik gewinnen wollen. Sie haben Kartoffeln entwickelt, in die Resistenzgene aus Wildkartoffeln eingeschleust wurden. Das Besondere: Die Kartoffeln enthalten nur Erbmaterial aus Kartoffeln.

Kraut- und Knollenfäule unter dem Mikroskop

Phytophthora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule unter dem Mikroskop

Foto: MPIPZ Köln

Blattbefall durch die Kraut- und Knollenfäule

Erste Symptome der Kraut- und Knollenfäule zeigen sich an Stängeln und Blättern. Es bilden sich zunächst grau-grüne, später braune Flecken, an der Unterseite der Blätter ein weißer Pilzrasen. Es werden Pilzsporen freigesetzt, die mit Hilfe eines Keimschlauches in das Pflanzengewebe eindringen.

Foto: i-bio

Barnase Schema

Pilzentwicklung in einer anfälligen Pflanze (links) und einer resistenten Pflanze (rechts). Links kann Phytophthora ungehindert durch das Blattgewebe wachsen, rechts wird er durch eine Barriere abgestorbener Pflanzenzellen aufgehalten.

Grafik: MPIPZ Köln

Wettlauf zwischen Pflanze und Erreger

Resistente Kartoffeln besitzen einen natürlichen Abwehr- mechanismus gegen Phytophthora. Sie bilden in einer so genannten hypersensitiven Reaktion rund um den Infektionsherd einen Schutzwall aus abgestorbenen Pflanzenzellen, der den Pilz daran hindert weiter vorzudringen. Die Resistenz kann aber sehr schnell durch neue Erreger-Typen wieder durchbrochen werden. Dabei gibt es einen regelrechten Wettlauf zwischen den Virulenzgenen des Erregers und den Abwehrgenen der Kartoffel. Die Virulenzgene des Erregers bilden Proteine, die in die Pflanzenzelle eingeschleust werden und so in den Stoffwechsel eingreifen, dass die Pflanzenzelle den Erreger nicht mehr erkennt. Diese Interaktion zwischen Pflanzenzelle und Erreger ist äußerst komplex und noch längst nicht vollständig verstanden.

Titelfoto: i-bio

Der Phytophthora-Erreger ist weltweit der gefährlichste Feind der Kartoffel. Insbesondere bei feucht-warmer Witterung breitet sich der pilzähnliche Erreger rasend schnell aus und kann innerhalb kürzester Zeit großen Schaden anrichten. Er verbreitet sich vorwiegend in Windrichtung oder wird bei Regen in den Boden gespült und befällt dort auch die Knollen. Phytophthora kann in den Knollen überwintern und eine einzige infizierte Knolle, die im Frühjahr ausgebracht wird, kann eine Epidemie im Kartoffelbestand auslösen.

Wenn der Befall früh in der Vegetationsperiode beginnt, kann es zu Ertragseinbußen von 80 Prozent und mehr kommen. Die Kraut- und Knollenfäule wird im konventionellen Anbau mit chemischen Pflanzenschutzmitteln (Fungiziden) kontrolliert. Sie müssen bei starkem Befall einmal pro Woche, das heißt, zehn bis 16 Mal pro Anbausaison ausgebracht werden.

In der konventionellen Züchtung ist vielfach versucht worden, durch Kreuzung mit resistenten Wildkartoffeln eine Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule zu erreichen. Die wichtigste Quelle hierfür war die Wildkartoffel Solanum Demissum.

Da die Kartoffel komplexe Vererbungsmuster hat, kann es fünfzig Jahre dauern, Gene aus Wildkartoffeln in eine Sorte einzuführen und die neuen Kartoffeln anschließend in ihren Anbaueigenschaften wieder zu verbessern. Die Ausgangssorte geht dabei in jedem Fall verloren.

Oftmals glaubten die Züchter, einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen Phytophthora geschafft zu haben, aber wenn die neue Sorte einige Jahre in einem gewissen Ausmaß angebaut wurde, brach die Resistenz wieder zusammen. Der Algenpilz passte sich durch Mutationen an.

Da der Wettlauf gegen den Erreger aufgrund der langwierigen Züchtungsprozesse bislang immer verloren wurde, setzt man in Forschung und Züchtung derzeit weltweit auf einen neuen Resistenztyp, der von vielen Genen bedingt wird. Das Ziel ist nicht mehr ein absoluter Schutz vor Befall, sondern eine Art Grundresistenz der Pflanze, die die Vermehrung des Erregers dauerhaft verlangsamt und nicht so leicht von neu auftretenden Rassen durchbrochen werden kann.

Cisgene Kartoffel: Ein Weg zur dauerhaften Resistenz?

Im Rahmen des Forschungsprogramms Durable Resistance against Phytophthora (DURPh) arbeiteten Wissenschaftler der Universität Wageningen in den Niederlanden zehn Jahre lang an einem Ansatz, Resistenzgene aus Wildkartoffeln mit Hilfe der Gentechnik in vorhandene Sorten zu übertragen.
Sie erhofften sich so schneller ans Ziel zu kommen als dies auf konventionellem Wege möglich ist, da die Kartoffelsorten mit ihren jeweiligen Geschmacks- und Anbaueigenschaften erhalten bleiben und aufwändige Rückkreuzungsschritte entfallen.

Die Wageninger Wissenschaftler entschieden sich für einen so genannten cisgenen Ansatz. Das heißt, die gentechnisch veränderten Kartoffeln sollten nur kartoffeleigene Gene enthalten - im Unterschied zu transgenen Pflanzen, in die Gene anderer, nicht mit ihnen kreuzbarer Pflanzenarten oder sogar Gene aus anderen Organismen, etwa Bakterien, übertragen werden. Nur zu Beginn wurde noch ein Markergen eingesetzt, auf das im weiteren Versuchsverlauf aber auch verzichtet wurde.

Insgesamt 13 Resistenzgene aus Wildkartoffeln wurden genetisch charakterisiert. Die Gene, die am besten geeignet erschienen, wurden einzeln oder in verschiedenen Kombinationen in gängige Kartoffelsorten (Désirée, Première, Aveka, Atlantic) übertragen und die vielversprechendsten cisgenen Kartoffellinien an verschiedenen Standorten in Europa im Freiland gestestet. Es zeigte sich, dass die übertragenen Resistenzgene auch im Feld dazu führten, dass bislang anfällige Kartoffelsorten eine hohe Resistenz aufwiesen. Der beste Schutz wurde durch mehrere Resistenzgene erreicht.

Um die Resistenz auch auf Dauer zu erhalten, wurde ein geeignetes Resistenzmanagement erarbeitet, d.h. Kartoffeln mit verschiedenen Kombinationen von Resistenzgenen sollen zeitlich und räumlich flexibel eingesetzt und der Anbau begleitend beobachtet werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass auf diese Weise der Einsatz von Fungiziden um 80 Prozent verringert werden könnte.

Von Anfang an wurde die Öffentlichkeit in das Projekt einbezogen. So wurden jährliche Besuchstage auf den Versuchsfeldern veranstaltet, um mit Landwirten, Kartoffel-Verarbeitern und Verbrauchern ins Gespräch zu kommen.

Ob die cisgenen Kartoffeln in der landwirtschaftlichen Praxis zum Einsatz kommen werden, hängt davon ab, ob cisgene Kartoffeln auch in Zukunft als GVO (gentechnisch veränderter Organismus) eingestuft werden.

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