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Patent- und Sortenschutz – Ein Überblick

Ganz gleich mit welchen Züchtungsverfahren – die Entwicklung einer neuer Pflanzensorte ist heute aufwändig und teuer. Durchschnittlich 17 Prozent ihres Umsatzes investieren die deutschen Pflanzenzüchtungsunternehmen in Forschung und Entwicklung, weit mehr als andere Branchen. Es dauert etwa zehn Jahre, bis eine neue Sorte auf den Markt gebracht werden kann. Dieser Aufwand kann nur über den Verkauf des Saatguts finanziert werden. Da Pflanzensamen durch Vermehrung sehr einfach „kopiert“ werden können, bedarf es ein angemessenes Schutzrechtsystem im Bereich der Pflanzenzüchtung.

Diagramm: zugelassene Sorten in Deutschland

Anzahl Sorten, die in Deutschland unter Sortenschutz stehen. (Bundessortenamt, 25.04.2014)

Biopatente-Monitoring

Seit 2013 wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Biopatente-Monitoring vorgenommen, das die Patentierungspraxis und ihre Auswirkungen im Bereich der Pflanzen- und Tierzüchtung festhalten und einschätzen soll. Dabei wird besonders auf die erteilten und angemeldeten Patente geachtet, die (a) zum Teil auf den Verfahrensschritten Kreuzung und Selektion beruhen (also möglicherweise von der Patentierung ausgeschlossen werden) und (b) Product-by-Process-Ansprüche für Inhaltsstoffen sämtlicher Pflanzen bestehen, die aus einem im Wesentlichen biologischen Verfahren hervorgegangen sind.

Folgende Ergebnisse wurden im Bericht 2013 für Nutzpflanzen veröffentlicht: -ca. 90% der erteilten und angemeldeten Patente beziehen sich auf gentechnisch veränderte Pflanzen.

-Bei insgesamt 157 relevanten Patenterteilungen und 372 Anmeldungen wurden 10% bzw 20% als beobachtungswürdig eingestuft.

Titelfoto: i-bio

Sortenschutz erkennt züchterische Leistungen an

In Deutschland – und ähnlich auch in Europa – gibt es dazu das Instrument des Sortenschutzes. Es sichert das geistige Eigentum des Züchters an der von ihm entwickelten Sorte, gleichzeitig räumt es bestimmte Nutzungsrechte ein und ermöglicht so einen allgemeinen „Züchtungsfortschritt“.

  • Andere Züchter dürfen eine geschützte Sorte auch ohne Zustimmung des „Besitzers“ nutzen und die daraus entstehenden neuen Sorten vermarkten. Dieses „Züchterprivileg“ des Sortenrechts sichert allen Züchtern einen freien Zugang zu dem jeweils neuesten genetischen Material - eine wesentliche Voraussetzung für die stetige züchterische Verbesserung und eine Vielfalt leistungsfähiger Sorten.
  • Die züchterische Leistung wird über eine im Saatgutpreis enthaltene Lizenzgebühr entlohnt. Auch bei geschützten Sorten dürfen Landwirte einen Teil ihrer Ernte für die Aussaat im kommenden Jahr verwenden, jedoch müssen sie dafür eine „Nachbaugebühr“ entrichten.
  • Eine neu gezüchtete Pflanze kann unter Sortenschutz gestellt werden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllt: Eine Sorte muss neu, unterscheidbar, homogen und beständig sein. In Deutschland ist das Bundessortenamt für die Zulassung zuständig. Die Behörde führt eigene Anbauversuche (Register- und Wertprüfung) durch, um „im Feld“ zu überprüfen, ob eine Sorte die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.

Patentschutz in der Pflanzenzüchtung: Streit um Grenzen

Das in Deutschland und Europa bewährte Sortenschutzrecht wird durch das Patentrecht ergänzt. Damit Patentschutz für eine Erfindung erteilt wird, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Neu
  • Technisch
  • Wiederholbar
  • Gewerblich anwendbar

Ein Patent gibt einem Erfinder für einen begrenzten Zeitraum – in Deutschland zwanzig Jahre – das Recht seine Erfindung exklusiv zu nutzen bzw. anderen die Nutzung nur gegen Lizenzgebühren zu erlauben. Im Gegenzug muss der Patentinhaber seine Erfindung veröffentlichen, damit die Gesellschaft am „technischen Fortschritt“ teilhaben kann. Kurz gesagt, das Patentsystem versucht eine Balance zu schaffen zwischen dem privatem Interesse des Erfinders am Schutz seiner Ideen sowie den finanziellen Aufwendungen für deren Entwicklung und dem öffentlichen Interesse an der Förderung von Wohlstand durch die zukünftige Nutzung der technischen Erfindung. Langfristig soll der Anreiz auf exklusive Nutzungsrechte die Investitionen und Risikobereitschaft in Forschung und Entwicklung erhöhen und somit biotechnologische Innovationen fördern, die letztendlich der Gemeinschaft zu Gute kommt.

Kritiker dieser „Anreiztheorie“ zur Begründung des allgemeinen Patentwesens weisen jedoch darauf hin, dass bislang nicht eindeutig gezeigt werden konnte, dass diese Anreize tatsächlich für technischen Fortschritt notwendig sind. Ein fortwährender Vorwurf lautet, dass das Patentwesen in der aktuellen Form weniger dem Allgemeinwohl als vielmehr der Sicherung möglichst hoher Gewinne für Unternehmen diene. Neben diesen wirtschaftlichen Kontroversen, werden auch bioethische und juristische Fragen diskutiert. Diese werden nicht nur in medienwirksamen Aktionen von NGOs aufgegriffen, sondern auch im Deutschen Bundestag debattiert. Dazu wurde in Deutschland seit 2013 ein staatliches Biopatent-Monitoring eingerichtet, das Entwicklungen des Patentrechts im Bereich Biotechnologie frühzeitig einschätzen soll (siehe Kasten).

Das zunehmende Wissen und der technische Fortschritt bei Verfahren der Genomik und Pflanzengenetik eröffnen neue Möglichkeiten der Züchtung und auch Patentierung von biologischem Material. Die EU-Biopatentrichtlinie (98/44/EG) von 1998 ist die Grundlage der derzeitigen Patentgesetzgebung in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten und setzt fest, inwieweit biologisches Material oder Lebewesen patentiert werden können. Am Europäischen Patentamt (EPA) in München wird die Patentfähigkeit der Erfindung sowie die Gültigkeit der Schutzansprüche für europäische Patente geprüft.

  • Patentfähig sind nur Erfindungen, nicht aber Entdeckungen. Vorhandene, nur vorgefundene Dinge, Teile der Natur oder Lebewesen dürfen nicht patentiert werden. Hingegen können durch ein technisches Verfahren isolierte Bestandteile von Organismen, wie eine Zelle oder eine Gensequenz, eine patentierbare Erfindung darstellen, da sie sich nicht in ihrem natürlichen Kontext befinden.
  • Pflanzensorten und Tierrassen sind vom Patentschutz ausgeschlossen, ebenso „im Wesentlichen biologische Verfahren“ zur Züchtung, wie Kreuzung oder Selektion. Patentierbar sind dagegen neue molekularbiologische Verfahren wie sie in der modernen Pflanzenzüchtung angewandt werden, sofern sie einen technischen Schritt beinhalten. Auch auf einzelne Gene kann ein Patent erteilt werden, jedoch nur, wenn eine „erfinderische Leistung“ erbracht wurde. Diese könnte darin bestehen, die konkrete Funktion eines Gens zu identifizieren und daraus eine gewerbliche Anwendbarkeit abzuleiten.
  • Patentfähig Erfindungen sind nicht sortenspezifisch, da sie sich auf ein technisches Element beziehen, das in verschiedenen Sorten und Kulturarten angewendet werden kann.

Ein Patent kann immer nur bestimmte, mit einem „neu erfundenen“ Verfahren gezüchtete Pflanzen einschließen, nie aber alle anderen Pflanzen einer Kulturart. Dennoch gibt es um die Auslegung im Einzelfall immer wieder Unklarheiten. Vor allem ist strittig, wo das (nicht patentierbare) „im Wesentlichen biologische Verfahren“ aufhört und die (patentierbare) technische „Erfindung“ beginnt. Zu dieser Streitfrage werden zahlreiche Eingaben bei der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) gemacht. Die Gerichtsurteile sollen dazu beitragen, die Abgrenzung zwischen biologischen und technischen Züchtungsverfahren zu schärfen.

In der gesellschaftlichen Diskussion um die Grüne Gentechnik setzen viele die Patentierung von Lebewesen mit gentechnisch veränderten Organismen gleich. Während die Herstellung von gentechnisch veränderten Pflanzen unzweifelhaft ein technisches Element beinhaltet, ist die für eine Patentierbarkeit notwendige Technizität bei anderen Verfahren wie Smart Breeding umstritten. Nach Ansicht der meisten Pflanzenzüchter in Deutschland gibt der Sortenschutz den optimalen Schutz für klassische Züchtungen und ermöglicht gleichzeitig, dass neue und geschützte Sorten für die Weiterzüchtung genutzt werden dürfen. Das Patentrecht kann ergänzend für technische Erfindungen eingesetzt werden, sollte aber nicht auf den Bereich der konventionellen Verfahren - also Kreuzung und Selektion - ausgedehnt werden. Auch der Deutsche Bundestag hat sich 2012 auf Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen dafür ausgesprochen die EU-Biopatentrichtlinie zu konkretisieren, damit keine Patente auf konventionelle Züchtungsverfahren, mit diesen gezüchtete landwirtschaftliche Nutztiere und –pflanzen sowie deren Nachkommen und Produkte erteilt werden.

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