Biopatente: Rechtliche Streitfragen

Die Grundsätze zur Patentfähigkeit von biologischem Material sind ist in der EU-Biopatentrichtlinie und dem deutschen Patentgesetz festgeschrieben. Im Verlauf der Patentanmeldung und –prüfung werden die Details über die Gültigkeit und Reichweite des Patentschutzes geklärt. Dabei ist nicht nur die Reichweite von Schutzansprüchen beim Thema Biopatente umstritten. Diskutiert werden auch Fragen des Haftungsrechts bei der ungewollten Auskreuzung patentierten Saatguts.

Kalluskultur Leuchtkasten

Patente auf Pflanzen? Schwierige Abgrenzung zwischen Erfindung und Entdeckung.

Schutzansprüche ergeben sich aus der Beschreibung der Erfindung

Die Beschreibung der Erfindung und die Argumentation der Patentansprüche sind entscheidend für den Umfang des Patentschutzes und damit dem Wert eines Patents. Grundlegend können Patente für eine Sache (z.B. „Kreuzblütler mit hohem Karotingehalt“) oder auf ein Verfahren vergeben werden (z.B. „Verfahren zur Selektion einer Pflanze“).

  • Im Einzelfall muss geklärt werden, ob es sich bei einem Selektionsverfahren um ein Arbeitsverfahren („zur Selektion von …“) oder Herstellungsverfahren („zur Erzeugung von …“) handelt. Dies hat Auswirkungen auf den Schutzanspruch, da im letzteren Fall das erzeugte Produkt und Folgegenerationen ebenfalls geschützt wären.
  • In Anlehnung an Patente aus der Chemie, kann ein Sach- bzw. Stoffpatent erteilt werden. Die dazu notwendige Beschreibung muss über die chemische Zusammensetzung („Kamille, bestehend aus 5-70% Bisabolol, 7-45% Farnesen, …“) oder über die Herstellung („Kamille, erhalten durch Tetraploidisierung, Selektion …“) erfolgen. Bei letzterem wird ein breiter Patentschutz nach der Product-by-Process Beschreibung nur gewährt, sofern der hergestellte Stoff völlig neu ist. Bei teilweise fehlender Neuheit wird das Patent auf die nach dem beschriebenen Verfahren erzeugten Stoffe/Pflanzen/Tiere beschränkt.
  • Sogenannte Reach through-Patentansprüche sind sehr umstritten. Auch hierbei geht es um die Reichweite von Schutzansprüchen. Folgendes Argumentationsschema wird bei der Durchsetzung der Ansprüche verwendet: (1) DNA-Marker als Forschungswerkzeug wird patentiert, (2) Selektionsverfahren ist auf Marker gestützt, (3) Versuch, die Patentierung auf die gefundenen Stoffe „durchzureichen“. Problematisch ist hierbei, dass Reach-through-Stoffe nicht der Allgemeinheit offenbart werden und damit nicht recherchierbar sind.

Zum Zeitpunkt der Patentanmeldung und –veröffentlichung sind viele Schutzansprüche noch nicht abschließend geklärt. Die Ansprüche und ihre Formulierung werden zwischen Anmelder und Patentprüfer in einem langwierigen Prozess ausgehandelt und kann sich über mehrere Jahre hinweg ziehen. Dieses Verfahren ist für Außenstehende oft wenig transparent und nachvollziehbar – auch deswegen gibt es in der Öffentlichkeit viel Kritik an Biopatenten. Zudem führen abstrakte Formulierungen der Schutzansprüche oftmals dazu, dass ein sehr weitreichender Patentschutz gewährt wird. Erst nach offiziellem Einspruch und Beschwerdeverfahren gegen einzelne Patente kann der Schutzanspruch neu verhandelt werden bzw. wurde bereits teilweise eingeschränkt (siehe Kasten: Brokkoli-Patent). Die aktuellen Gerichtsentscheidungen stellen daher wegweisende Präzedenzfälle für die zukünftige Erteilung von Schutzansprüchen dar.

Patente auf Pflanzen: Europa ist nicht Nordamerika

Die unerwünschte Auskreuzung von Merkmalen transgener Nutzpflanzen wird nicht nur unter dem Gesichtspunkt möglicher Risiken für die Umwelt diskutiert. Rechtliche Fragen der Haftung bei Schäden, die im Zusammenhang mit dem Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen entstehen können, sowie Schadenersatzansprüche bei der Nutzung patentierten Saatguts ohne Lizenz wurden in zahlreichen Gerichtsverfahren in verschiedenen Ländern verhandelt. Sollte eine gentechnisch veränderte Pflanze ungewollt in die konventionellen Pflanzen eines Nachbarbetriebes einkreuzen, muss dieser Nachbar keine Patentgebühren zahlen, sofern er sich nicht wissentlich einen konkreten Vorteil durch die spezielle Verwendung des transgenen Saatguts verschafft hat.

Fälle wie die des kanadischen Rapsbauern Percy Schmeiser sind in Deutschland nicht möglich. Schmeiser, ausgezeichnet mit dem alternativen Nobelpreis und in Deutschland durch mehrere Vortragsreisen bekannt, wurde von dem Agro-Biotechnologiekonzern Monsanto verklagt, weil er dessen gv-Raps genutzt haben soll ohne dafür die fälligen Patentgebühren gezahlt zu haben. Nach Angaben von Schmeiser sei der gv-Raps jedoch als Folge von Einkreuzungen, Pollenflug oder Vermischungen auf sein Feld gelangt. In Deutschland muss der Patentinhaber die Patentverletzung in allen Punkten beweisen, wobei zu Gunsten des Landwirts vermutet wird, dass eine Auskreuzung zufällig und unvermeidbar ist.

Wären sie auf dem Markt, müssten Landwirte in Deutschland und Europa für die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen keine separaten Patentgebühren zahlen. Stehen einzelne Gene oder Verfahren unter Patentschutz, dann kommen die Züchtungsunternehmen für die Lizenzgebühren auf, die sie über einen höheren Saatgutpreis an den Landwirt weitergeben. Wie bei allen geschützten Sorten müsste ein Landwirt jedoch sogenannte „Nachbaugebühren“ entrichten, wenn er gentechnisch verändertes Saatgut vermehren oder im nächsten Jahr erneut ausbringen würde.

International gibt es im Patentrecht große Unterschiede. So ist in den USA der Patentschutz weitreichender als in Europa, auch deswegen, weil es dort ein Sortenrecht wie in Europa nicht gibt. Patente, die in den USA oder Europa erteilt wurden, gelten in den meisten Entwicklungsländern nicht. Zwar gibt es entsprechende internationale Abkommen über „handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“, doch in der Regel sind die Möglichkeiten für Patentinhaber aus Industriestaaten, ihre Ansprüche in Entwicklungsländern durchzusetzen, begrenzt.

Drucken Versenden