Biotechnologie im ethischen und medialen Diskurs –
Ein Workshop mit Journalismusstudierenden

Vom 12. bis zum 14. April 2013 trafen sich im Studienhaus „Gut Schönwag“ 16 Studierende des Studiengangs Ressortjournalismus der Hochschule Ansbach, um über die ethische und mediale Wahrnehmung der Grundlagenforschung zur Stresstoleranz bei Pflanzen zu diskutieren. Eingeladen hatten das Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften und die Hochschule Ansbach. Im Fokus des Workshops standen die künftigen Herausforderungen der Landwirtschaft: In vielen Regionen der Erde werden Pflanzen durch das vermehrte Auftreten von Extremwettereignissen einem zunehmenden Stress ausgesetzt. Infolge dessen werden sie anfälliger für Krankheiten, ihr Ertrag wird vermindert und in bestimmten Regionen können sie gar nicht mehr angebaut werden.

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Die Rolle der Medien in der Gentechnikdebatte werden im Plenum mit den angehenden Journalisten diskutiert.

Foto: Institut TTN

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In Kleingruppen beschäftigen sich die Studierenden mit der Frage, wie Grundlagenforschung zur Stresstoleranz ethisch zu bewerten ist.

Foto: Institut TTN

Die Studierenden diskutierten vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen aus ethischem Blickwinkel, welchen Beitrag die Pflanzenforschung zum Verständnis der Stresstoleranz leisten kann und inwieweit biotechnologische Verfahren in der Forschung zur Anwendung kommen könnten. In diesem Zusammenhang wurde die Rolle der Medien kritisch diskutiert: Gelingt es Ihnen, die Öffentlichkeit adäquat über neue Forschungsergebnisse zu informieren oder setzen sie auf die Karte der Emotionalisierung? Vor welchen Herausforderungen stehen heute Journalistinnen und Journalisten, wenn sie das komplexe Themenfeld der Biotechnologie einer breiten Schicht an Lesern, Zuhörern und Zuschauern näher bringen wollen?

Als Fallbeispiel wurde die Zielsetzung des Bayerischen Forschungsverbundes „ForPlanta“ ausgewählt: In dieser Grundlagenforschung wird versucht, anhand von Modellpflanzen besser zu verstehen, wie sich Pflanzen gegen umweltbedingten Stress wappnen. Die gewonnenen Erkenntnisse können langfristig sowohl für entsprechende Verfahren in der Züchtung wie auch in der Gentechnik bedeutsam sein. Es geht somit auch um die züchterische Optimierung der Stresstoleranz und damit eine höhere Ertragssicherheit in der Landwirtschaft. Die Möglichkeit der Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen ist in Bayern jedoch durchaus umstritten. Die Fragestellung für den Workshop lautete daher vor diesem Hintergrund: Soll Deutschland die Grundlagenforschung zur Züchtung von stresstoleranteren Nutzpflanzen verstärkt fördern?

Christian Dürnberger: Gentechnik in den Medien

Am Anreisetag, dem 12. April, gab es durch Christian Dürnberger (Mitarbeiter von Modul V des Forschungsverbundes „ForPlanta“) einen einführenden Vortrag über Biotechnologie im medialen Diskurs: Er thematisierte dabei näher das teilweise prekäre Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und journalistischer Eigenleistung und zeigte Strategien auf, die der Journalismus in der Berichterstattung über die Grüne Gentechnik erkennen lässt: Welche Bebilderungen werden gewählt? Welche Metaphern werden eingesetzt, um biotechnologische Züchtung zu umschreiben? Und inwieweit lässt sich eine „Personalisierung“ (also ein Festmachen des Themas an konkreten Personen und „Schicksalen“) diagnostizieren? In der anschließenden Diskussion wurden die Schwierigkeiten und Herausforderungen in der Berichterstattung über ein so kontroverses Thema wie der Gentechnik vertiefend debattiert.

Gruppenarbeit zur ethischen Urteilsbildung

Der Samstag begann mit kurzen Input-Vorträgen zur Gentechnik (durch Daniel Gregorowius) und zur Zielsetzung einer höheren Stresstoleranz bei Pflanzen (durch Christian Dürnberger). Dabei wurde auch das Webportal www.pflanzen-forschung-ethik.de vorgestellt. Anschließend wurden vier Gruppen gebildet, in denen die Studierende rechtlich-politische, soziale, ökonomische und ökologisch-biologische Fakten zur Frage der Entwicklung von Stresstoleranzen bei Pflanzen sammeln sollten. Den Gruppen stand umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung, das ihnen die notwendigen Sachinformationen für die Faktensammlung bieten sollte. Außerdem konnten sie mit den Informationen auf www.pflanzen-forschung-ethik.de arbeiten. Nach der Vorstellung der Ergebnisse der Gruppenarbeit folgte am Nachmittag durch Daniel Gregorowius eine Einführung in die Ethik.

In einer zweiten Gruppenarbeitsphase sollten die Studierenden ausgehend von den gesammelten Fakten eine Position zu der Frage erarbeiten, ob in Deutschland die Grundlagenforschung zur Züchtung von stresstoleranteren Nutzpflanzen verstärkt gefördert werden soll. Dazu sammelten die Studierenden Argumente und wogen diese gegeneinander ab. Es war für sie teilweise eine große Herausforderung, sich auf eine gemeinsame Gruppenposition zu einigen: Manche Gruppen machten ihren Dissens deutlich, andere fanden einen Konsens. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, welche Rolle die philosophische Disziplin der Ethik in Debatten wie jenen zur Biotechnologie übernehmen kann: Sie fungiert als Vermittler, ohne dabei eine Entscheidung vorweg nehmen zu können, was richtig und falsch ist.

Kommentare zur Rolle der Ethik

Am Sonntag, dem letzten Tag des Workshops, befassten sich die Studierenden mit ihrer eigenen Rolle als Wissenschaftsjournalisten in der kontroversen Gentechnikdebatte. Sie bekamen die Aufgabe, zur ethischen Begleitforschung des bayrischen Forschungsverbunds ForPlanta, der sich mit der Stresstoleranz bei Pflanzen befasst, einen halbseitigen Kommentar für die Titelseite einer fiktiven Regionalzeitung zu schreiben. Die vier Gruppen entwickelten sehr kreative Ideen für die Kommentare (siehe Kommentare rechts am Rand): Von Anleihen an religiöse Metaphern und Bilder bis hin zum kritischen Hinterfragen der Sinnhaftigkeit einer ethischen Begleitforschung griffen die Studierenden sehr unterschiedliche Aspekte der Debatte auf.

In einer abschließenden Diskussion thematisierten die Studierenden, welche Schwierigkeiten sich im medialen Diskurs über Biotechnologie in der Forschung mit Blick auf ethisch-moralische Fragen ergeben könnten. Die Studierenden waren sich einig, dass die Debatte über Gentechnik und Biotechnologie sehr komplex ist und der Wissenschaftsjournalist eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Forschung und Öffentlichkeit übernimmt. Wissenschaftsjournalisten brauchen jedoch nicht nur Kenntnis von der wissenschaftlichen Materie, sondern auch Kenntnisse von der Debatte über Gentechnik, den ethisch-moralischen Herausforderungen und den Wünschen der Öffentlichkeit.

Herausforderungen für den Journalismus

Folgende Punkte wurden in der Diskussion von den Studierenden als besondere Herausforderung für die journalistische Bearbeitung eines kontroversen Themas wie jenem zur Biotechnologie genannt:

  • Faktensammlung: Es wird ausreichend Fachwissen benötigt, um das komplexe Thema der Grünen Gentechnik ausgewogen beurteilen zu können. Der Umgang mit unterschiedlichen, z. T. widersprüchlichen Studien ist schwierig.
  • Pro oder Contra: Für jedes Pro gibt es auch ein Kontra. Man muss beide Seiten bewerten und gewichten. Dies ist schwer, ohne sich selbst dabei zu positionieren.
  • Breite der Debatte: Man muss den Überblick über sämtliche Aspekte der Debatte behalten. Man kann nie alle Aspekte in einem kurzen Medienbericht abdecken.
  • Eigene Meinung: Es ist eine besondere Schwierigkeit in einer Debatte, die bisher noch zu keinem Konsens kommt, selbst eine gefestigte Meinung zu entwickeln.
  • Eigene Rollenwahrnehmung: Bei der journalistischen Berichterstattung besteht die Gefahr, als PR-Agent einer bestimmten Lobbygruppe zu fungieren und nicht als unabhängiger Journalist.
  • Fundierte Bewertung: Eine „objektive Herangehensweise“ ist notwendig – Pressemitteilungen müssen kritisch hinterfragt werden. Man darf nicht nur das hinschreiben, was Pressemitteilungen liefern, sondern muss deren Inhalte kritisch bewerten.

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